Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 24. August 2016

Rezension: Todai-Ji (Dierk Stuckenschmidt)

(Copyright: Hibarios Verlag)


(Copyright: Dierk Stuckenschmidt, General Anzeiger Bonn)




Todai-Ji oder: Des Alexios von Dor lange Reise nach China und Japan
Autor: Dierk Stuckenschmidt
Deutsche Ausgabe: Hibarios Verlag
Nachwort: Dierk Stuckenschmidt
Genre: Historischer Roman, Reisebericht



"Vielleicht sollte ich es bei diesem kurzen Besuch bei unserem Alexios in seinem sommerlichen Alterssitz in Nara bewenden lassen. Meine Knie hätten schon nach wenigen Minuten geschmerzt; die Hitze machte mir beim bloßen Nachempfinden zu schaffen. Alexios mochte daran gewöhnt sein, und vielleicht, daß schloß ich aus der gediegenen Umgebung, würde ihm bald ein dienstbarer Geist, eine junge Dienerin, eine Erfrischung bringen. Sicher waren an den Gartenraum, in dem wir beisammen waren, weitere Gebäudeteile angefügt. Und auch wenn Alexios selbst nicht zu einem Nachruhm gekommen war, der ihn uns ohne den Fund seiner Schriftzeugnisse im Buddha des Shosoin sichtbar gemacht hätte, mußte er als enger Vertrauter der Großen seiner Zeit doch an deren Wohlstand teilgehabt haben. Oder hatte er selbst einen weitläufigen Palast sein eigen nennen dürfen? Ich vertraute darauf, daß mir so manches noch veranschaulicht würde, wenn ich ihm auf dem Weg folgte, den die „1000 Blätter“ seiner Aufzeichnungen wiesen. Also nahm ich Abschied, vorübergehend, verneigte mich vor dem Einsamen. Er sah und hörte mich nicht; nur die Zikaden machten eine kurze Pause in ihrem Konzert, wie immer, wenn sie eine Veränderung spürten."
(Aus: Todai-Ji, Dierk Stuckenschmidt, Hibarios Verlag)


"Todai-Ji oder: Des Alexios von Dor lange Reise nach China und Japan" (in dieser Besprechung verbleibe ich bei "Todai-Ji") ist ein üppiges Buch mit reichlich an Inhalten. Dabei ist die Seitenanzahl von etwas unter 400 Seiten sogar noch relativ schlank bemessen. Das große Format von 22 x 15,5 cm machen Todai-Ji dann aber auch gleich wieder massiver. Die Seiten sind randvoll mit Prosa, nützlichen und interessanten Fußnoten und sogar einigen Illustrationen ausgestattet. Der Japan-Fachmann Dierk Stuckenschmidt hat hier ein nahezu perfektes Buch für den Spätsommer verfasst. Am besten lesen, wenn man einen leichten, gut gekühlten Sake vor sich hat und die Temperaturen draußen (eine Veranda ist da ganz praktisch) ein wenig milder geworden sind. Genau so ein Buch ist Todai-Ji. Doch, so werden sich viele nun fragen, was ist Todai-Ji überhaupt? Wie bereits in meiner ersten Präsentation des Titels im vergangenem Monat erwähnt, so handelt es sich bei Todai-Ji um einen kleinen Genremix, der zwischen historischem Roman und einem Reisebericht wandelt. Besonders für Freunde der ostasiatischen Kultur könnte dieser Roman eine kleine Schatztruhe sein.

Der Inhalt ist einfach zu erklären. In einer kleinen, hohlen Buddhastatue des Shosoin (Das Schatzhaus des Todai-Ji in Japans ehemaliger antiker Hauptstadt Nara), die prall ausgestopft war mit allerlei antiker Blätter, beinahe schon bis zur Unkenntlichkeit zerknüllt und zu einer Masse verformt, nahmen sich einige Wissenschaftler den antiken Schriftstücken an, die ungefähr 1300 Jahre alt sind. Archivare haben den Schriften nicht viel abgewinnen können und schlossen das Thema für sich. Ein Wissenschaftler aus Tokyo fand allerdings gefallen an den scheinbar chronologisch wahllos zusammengewürfelten Schriftstücken. Besonders die eigentümliche Handschrift der kaum mehr lesbaren Schriftzeichen fiel dem Wissenschaftler auf. Hierbei konnte es sich ummöglich um einen Menschen aus Ostasien handeln, er musste von außerhalb kommen, ein Mensch, der eine unglaublich weite Reise hinter sich hatte, sich unter den Japanern aber einen respektablen Ruf aufgebaut haben musste. Vermutlich ein Europäer, wahrscheinlich ein Europäer in einem etwas betuchterem Alter. Was als völlig bedeutungsloser Fund abgestempelt wurde, fand in Kreisen einiger Wissenschaftler eine unglaublich hohe Bedeutung. Rund 2 Jahre verbrachten die Herren bereits damit, die Texte zu entziffern und es würde noch eine lange Zeit dauern, bis die antiken Schriften, die als Füllmaterial einer Buddhastatue benutzt wurden, komplett entziffert werden könnten (falls dies überhaupt je möglich sein sollte). Und genau hier kommt Dierk Stuckenschmidt ins Spiel, der einen guten Draht zu den japanischen Herren hatte und das Angebot mehr als dankend annahm, sich in die Schriften des mittlerweile identifizierten Autors, der Alexios von Dor hieß, anzunehmen. Dierk Stuckenschmidt erzählt die Geschichte dieses antiken Entdeckers und seinen bisher im verborgen gebliebenen Entdeckungen, die er im alten Japan machte.


(Großer Buddga von Nara. Quelle: Veltra)


Aufgeteilt ist Todai-Ji in mehrere übersichtliche Teile. Im Vordergrund steht hier die Reise des Alexios von Dor. Detailliert werden die langen Wege beschrieben, die Alxios von Dor gereist ist. Von der Seidenstraße bis hin zum Tempelbau von Yamato. Nach den vielen Reisen ist Alexios von Dor im alten Japan sesshaft geworden und lernte eine Kultur kennen, die sich sowohl von den Ländereien als auch von der Kultur her weit von dem düsteren Europa des Mittelalters abhob. Mit einem lockeren, heiteren Schreibstil und sogar Witz und ein wenig Fantasie sorgt Dierk Stuckenschmidt dafür, dass Todai-Ji nicht zu einem zähen Wälzer heranreift, der einem durchgekauten Kaugummi gleichkommt. Abgerundet werden die Berichte durch interessante Randnotizen zu exotischen Begriffen und zur Geografie, Illustrationen und den eigenen Gedankengängen des erfahrenen Japan-Kenners. Die Leidenschaft und Schreibfreude ist dem Autor wahrlich anzumerken Der Leser wird bestens in die Geschichte eingebunden, ohne von komplizierten Fachausdrücken überfordert zu werden und lernt automatisch eine menge über die Gepflogenheiten in Japans alter Hauptstadt Nara und seinem bedeutendem Tempel, den Todai-Ji.



(Todai-Ji Tempel in Nara. Quelle: Japan Travel Advice)




Resümee

Todai-Ji hat mich enorm begeistert, die Reiselust geweckt und das Fernweh angefeuert. Was ein ungemein zäher Ausflug hätte werden können, wurde von Dierk Stuckenschmidt ausgezeichnet recherchiert und erzählt. Zum Ende des Buches gibt es noch eine sehr ausführliche Zeitlinie, die es ebenfalls verdient hat, gelesen zu werden. Wie immer muss man natürlich ein wenig Enthusiasmus dem Thema gegenüber mitbringen, um diesen Titel in vollen Zügen genießen zu können. Freunde der ostasiatischen Kultur, besonders des antiken Japans, die werden mit Todai-Ji eine schöne Zeit verbringen. Das Ticket für diese Reise kann man beim Hibarios Verlag erwerben, der hier erneut eine schöne Edition in seinem Sortiment begrüßen kann.

Zum Abschluss möchte ich mich von Herrn Stuckenschmidt und Alexios von Dor herzlichst verabschieden, bessere Reiseführer hätte ich mir nicht wünschen können. 




Empfehlung: Wer mehr über das antike Japan erfahren will, vor allem geschildert aus der Sicht westlicher Autoren, der wird auf der Website des Hibarios Verlags fündig werden. Zu finden ist der Link oben in den Informationen zum Buch.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen