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Mittwoch, 29. Mai 2024

Hörbuch-Rezension: Die Therapie (Sebastian Fitzek)

 




Deutschland 2006

Die Therapie
Autor: Sebastian Fitzek
Verlag (Print und E-Book): Droemer Knaur
Hörbuch: Audible Studios
Sprecher: Simon Jäger
Laufzeit: 6 Stunden und 3 Minuten (Ungekürzte Version)
Genre: Psychologischer-Thriller, Mystery



Mein Verhältnis zu Sebastian Fitzek, Deutschlands erfolgreichstem Autor, würde ich als kaum existent bezeichnen. Da ich subtile Thriller mit Mystery-Elementen mag und weniger grafische Beschreibungen, kamen der Autor und ich bisher nicht zusammen. Ich habe es allerdings vor einigen Jahren mal mit "Abgeschnitten" probiert, ein Thriller, der in Zusammenarbeit mit dem Rechtsmediziner und unlängst auch Autor Michael Tsokos entstanden ist. Nach nicht einmal 50 Seiten war da dann aber auch schon gut. Sebastian Fitzek hat seine Fans, millionenfach vermutlich, sonst würden sich Romane, die mittlerweile auch über Thriller hinausgehen (und ich diesen Ansatz durchaus begrüße), sich nicht jedes mal wieder aufs neue rekordverdächtig verkaufen. Ob ich da als Leser nun dazugehöre oder nicht, wird die Karriere und die Geldbörse des Autors nicht weiter kümmern.

Auf "Die Therapie" bin ich auch nur durch die Serien-Adaption von Amazon mit Stephan Kampwirth in der Hauptrolle (und den viele sicherlich noch gut aus Dark kennen) aufmerksam geworden. Ich habe kurz in die Serie reingeschaut und es konnte für die Rolle des Viktor Larenz wohl kaum eine bessere Besetzung geben. Es war das Gesicht, welches ich neben Simon Jägers Stimme rund 6 Stunden beim hören bildlich vor mir hatte. Ich dachte eigentlich, zum Zeitpunkt der Besprechung des Hörbuchs hätte ich mittlerweile auch die Serie durch, aber dies war zeitlich dann vorerst doch nicht mehr zu vereinbaren. Auf Unterschiede zwischen Roman und Serie werde ich also nicht eingehen können.

Das Romandebüt von Sebastian Fitzek liegt mittlerweile fast unglaubliche 20 Jahre zurück. Als "Die Therapie" 2006 erschien, war Fitzek wohl selbst noch nicht bewusst, wie steil seine Karriere als Autor nach oben gehen würde, welchen Hype er entfachen würde. Rein von der Prämisse her sprach mich der Titel an. Ein Isolationsroman auf einer kleinen, einsamen Insel. Ein nach vielen Schicksalsschlägen mittlerweile psychisch labiler Mann, der selbst ein Star-Psychiater war und dessen Tochter vor einigen Jahren unter mysteriösesten Umständen verschwand. All das könnten die besten Zutaten für ein interessantes Theaterstück sein. Aber das hatte ich bereits von "Abgeschnitten" damals erwartet, so wollte ich nicht zu viele Erwartungen an "Die Therapie" hegen.

Das Hörbuch wurde exklusiv für Audible von Simon Jäger eingesprochen, ganz ohne Frage mitunter eine meiner Lieblingsstimmen (und ich gerne mal gemeinsam mit David Nathan Live sehen würde). Dabei war der Beginn des Hörbuchs so holprig, wie man es sich nur vorstellen kann. Die ersten knapp 20 Minuten klingen von der Tonqualität her, als wären sie in irgendeinem Keller oder auf der Toilette aufgenommen worden. Ich war eigentlich schon bereit, das Hörbuch wieder zu reklamieren. Doch auf Knopfdruck veränderte sich die Tonqualität merklich und nach den ersten kurzen Kapiteln hört man ausschließlich das, was der Hörer auch hören soll. Nämlich die Stimme von Simon Jäger, ohne Nebengeräusche.

Es ist nicht sonderlich schwer, den Inhalt von "Die Therapie" wiederzugeben. Erzählt wird die Geschichte des bereits erwähnten Psychiaters Viktor Larenz, einstmals ein gefeierter Mann seines Fachs mit einem Schwerpunkt auf Schizophrenie. Die behandelnden Ärzte sind komplett ratlos, Larenz zwölfjährige Tochter Josy scheint von einer unbekannten Krankheit dahingerafft zu werden. Als Larenz sie eines Tages zum Arzt zu einer weiteren Untersuchung bringt, kehrt das Mädchen nicht aus dem Behandlungszimmer zurück. Weder Arzthelferinnen noch der Arzt können sich aber daran erinnern, Josy an diesem Tag gesehen zu haben. Das Mädchen bleibt verschwunden, ganze vier Jahre vergehen, ohne, dass Larenz und seine Frau Isabell wieder was von ihr hören. Während Isabell langsam mit dem Thema abschließen konnte, verfällt Larenz immer tiefer in Depressionen und dem Alkohol. Nach einiger Zeit scheint sich auch Larenz wieder allmählich zu rehabilitieren. Er ist weg vom Alkohol, möchte sich den bösen Geistern nun stellen. Er nimmt die Interviewanfrage einer bekannten Illustrierten an und macht sich samt seinem trauen Begleiter, dem Hund Sindbad, auf nach Parkum, einer kleinen Nordseeinsel mit Familienanwesen der Familie Larenz. Kurz nach der Ankunft von Larenz zieht ein Unwetter auf, welches mehrere Tage anhält und somit niemand mehr die Insel besuchen, aber auch nicht verlassen kann. Larenz Gesundheitszustand verschlechtert sich tagtäglich. Und dann wird er auf einmal von der mysteriösen, psychisch kranken Anna besucht. Eine vermeintliche Kinderbuchautorin, die die lange Reise auf sich genommen hat, nur um den einstigen renommierten Psychiater ihre Geschichte zu erzählen, die sich zufälligerweise sehr mit den Ereignissen überschneidet, die seine verschwundene Tochter Josy vor so vielen Jahren erlebt hat.

So simpel die Struktur von "Die Therapie" aufgebaut ist, war ich mehr als überrascht, wie viele Schichten an Komplexität die Geschichte dann doch bietet. Nicht nur lebt die Geschichte von einer beunruhigenden Spannung, auch auf sehr grafische Elemente verzichtet Fitzek mit sehr wenigen Ausnahmen. "Die Therapie" lebt also nicht von Shock-Values, sondern ausschließlich von einem spannenden Plot, der mit unzähligen Wendungen garniert ist. Die Kritik, die ich am Ende dann doch hatte, war jene, ob Fitzek hier vielleicht nicht 1-2 unerwartete Wendungen zu viel eingebaut hat und besonders die Auflösung, vielleicht aber auch eher nur der Epilog, dann doch schon zu "überzogen" wirkte. Die Auflösung der Ereignisse (fernab von dem, was man so vermutet) war für mich nun aber auch nicht so haarsträubend, dass die gesamte Geschichte am Ende nachhaltig darunter leiden musste. Immer wieder schafft es Fitzek, die richtige Ausfahrt zu finden. Für ein Debütwerk ist das in allen Maßen sehr beeindruckend.

Das ganze wird abgerundet durch eine absolut großartige Performance von Simon Jäger, der einen förmlich aus der Realität zieht und sobald der Hörer seine Augen schließt, sich in Larenz Arbeitszimmer auf der fiktiven Insel Parkum befindet. Ein guter Sprecher besitzt einfach diese Fähigkeit, den Leser so dermaßen mitzunehmen, dass er regelrecht von der Geschichte absorbiert wird. Am Ende lag selbst ich mit feuchten Händen auf dem (Therapie)Sofa und wollte wissen, welch bizarre Wendungen die Geschichte rund um Viktor Larenz noch nimmt.




Fazit

"Die Therapie" hat mich in allen Maßen positiv überrascht. Nicht nur das, sie hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Etwas, was ich Sebastian Fitzek nicht zugetraut hätte. Ob das nun der Anbeginn einer großen Liebesgeschichte ist? Ich bezweifle es. Ich habe mir Inhaltsangaben zu Fitzeks anderen Romanen durchgelesen, alleine an diesen Inhaltsangaben gemessen, passen die Romane nicht wirklich in mein Beuteschema. Ich konnte es nicht lassen, mir im Angebot noch "Das Kind" als E-Book zuzulegen. Auch setzt Audible seit einiger Zeit mit viel Aufwand ausgewählte Romane von Fitzek als Hörspiel um (der Hörbuch und Hörspiel Markt ist etwas, was man sich als Autor und Verlag sicherlich nicht entgehen lassen möchte). Erst vor wenigen Tagen erschien das Hörspiel zu "Das Paket". Ob mich dieses Hörspiel genau so packen wird wie Simon Jäger mit dem Hörbuch zu "Die Therapie", welches er im Alleingang liest, bleibt natürlich abzuwarten. Ich will nicht ausschließen, dass der Autor es vermag, mich noch ein weiteres mal zu packen. Ich hätte aber auch absolut kein Problem damit, wenn es bei dieser einmaligen Affäre bleiben würde, denn "Die Therapie" kann mir nun niemand mehr nehmen. Und für die gibt es beide Daumen nach oben.
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Rezension verfasst von Aufziehvogel

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