Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 21. Februar 2018

Review: Blade Runner 2049

Poster: Paul Shipper





USA 2017

Blade Runner 2049
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Hampton Fancher, Michael Green
Darsteller: Ryan Gosling, Harrison Ford, Dave Bautista, Robin Wright, Jared Leto, Edward James Olmos, Ana de Armas, Sylvia Hoeks, Carla Juri
Laufzeit: 164 Minuten
Genre: Science Fiction
Verleih: Warner (USA), Sony (International)
Premiere: 05. Oktober 2017
FSK: Ab 12




Warner und Sony haben sich diese Fortsetzung einiges kosten lassen. Rechnet man noch Gagen, Promotion und andere Bonis dazu, so liegt Blade Runner 2049 bei einem Budget von (geschätzt) beinahe 200 Millionen Dollar. Für die direkte Fortsetzung eines über 35 Jahre alten Science Fiction Klassikers, der, für viele Fans des Films, das perfekte Ende besaß und doch eigentlich keine Fortsetzung benötigte. Das größte Gesprächsthema bei Blade Runner 2049 nach dem Kinostart war nur noch das Budget. Die überschwänglich positiven Kritiken von Presse und Kinogänger wurden durch mäßige Einspielergebnisse überschattet, die weit unter den Voraussagungen sämtlicher "Experten" und "Analysten" lagen. Der Start des Films reichte in den USA problemlos für Platz 1 und bei einem weltweiten Einspielergebnis von weit über 250 Millionen Dollar von einem Flop zu sprechen klingt sehr vermessen, bei dem enormen Budget jedoch nicht von der Hand zu weisen. Man könnte also sagen, alles beim alten bei dem Franchise, denn auch das Original floppte damals im Kino auf spektakuläre weise (finanziell jedoch noch in ganz anderen Sphären). Der Heimkinomarkt wird also für Blade Runner 2049 die nächste Chance, Geld in die Kassen zu spielen. Eine erfolgreiche Performance bei den Oscar (immerhin nominiert in 5 Kategorien) könnte der Vision des Kanadiers Denis Villeneuve noch einmal weiterhelfen.

Es gibt dramatischere Flops als Blade Runner 2049, besonders wenn man die Umstände für die mäßigen Ergebnisse mitberechnet (direkte Fortsetung, Laufzeit, R-Rating). Wichtig ist, dass Blade Runner 2049 ein Film geworden ist, der das Zeug zu einem Klassiker hat. Oder etwa nicht? Den Film von Denis Villeneuve als zugänglich zu bezeichnen wäre wahrlich eine gewagte Aussage. Ich wills mal kurz und bündig machen, Blade Runner 2049 ist kein Film für ein breites Publikum und das kommerziellste, was diesem Film vielleicht noch anhaftet ist der Titelsong "Almost Human" von "Lauren Daigle", der nicht einmal im Film vorkommt sondern es lediglich auf den Soundtrack geschafft hat und im Abspann des Anime-Kurzfilms "Black Out 2022" von Shinichiro Watanabe.

Um den Geschehnissen in Blade Runner 2049 vollständig folgen zu können ist die Sichtung des Originals eigentlich unabdingbar. Die drei produzierten Kurzfilme (kostenlos zu sehen auf YouTube oder in HD auf der Blu-ray), die vor den Hauptereignissen im Jahr 2049 spielen, geben den Zuschauern einen etwas genaueren Einblick in die Welt, in der Blade Runner spielt. Besonders Charaktere wie der Industrie-Mogul Niander Wallace und der Replikant Sapper Morton, die im Film beide eine unglaublich kurze Rolle haben, bekommen in je einem Charakter-Kurzfilm ihren verlängerten Auftritt. Wer jedoch wissen will, was nur wenige Jahre nach den Ereignissen im Original geschehen ist, dem sei der bereits erwähnte Black Out 2022 von Shinichiro Watanabe (Cowboy Bebop, Animatrix) wärmstens empfohlen. Eine erstmalige Sichtung von Blade Runner 2049 erfordert also mehr oder weniger das komplette Paket um auch wirklich der Hauptgeschichte folgen zu können.

Für die Regie wurde Denis Villeneuve ausgewählt der sich mit Filmen wie Sicario und Arrival endgültig einen Namen machte und praktisch ein jährlicher Vertreter bei den Academy Awards und zahlreichen anderen Verleihungen ist. Die große Erleichterung bei vielen dürfte die geringe Beteiligung Ridley Scott's sein, der hier lediglich als Produzent fungiert. Scott's Sternstunden als Filmemacher sind ohne Zweifel vorüber und nach Alien: Covenant dürfte der geneigte Filmfan froh sein, dass man sich mit Villeneuve für einen noch immer unverbrauchten Filmemacher entschieden hat (ohne Scotts Verdienste natürlich klein zu reden). Dennoch darf man auch nicht vergessen, was der Kanadier für ein Filmemacher ist. Enemy mit Jake Gyllenhaal aus dem Jahr 2013 war ein surrealer Trip, der nicht selten die Züge eines Filmes von David Lynch annahm. Nicht wenig davon ist in Blade Runner 2049 geflossen. Villeneuve übernimmt die Rolle als Visionär und Kunstfilmer und erschuf seine völlig eigene Version von Blade Runner die ihren Tribut an das Original zollt, es aber nicht ein einziges mal ideenlos kopiert. Eine große Kritik in dem neuen Star Wars Episode VIII ist die große gähnende Leere, was die Erweiterung des Universums angeht. In Blade Runner 2049 ist zwar immer noch die Dystopie von Los Angeles der Hauptschauplatz, allerdings wurden die Schauplätze nicht nur erheblich erweitert, die Ereignisse verlagern sich auch noch und spielen sich später sogar in einem trostlosen Las Vegas ab. Das Original hingegen spielte sich zwischen einigen Schauplätzen in der Innenstadt (darunter das Bradburry Building), der Tyrell Corporation und mehreren Apartments ab und war aufgrund des Budgets relativ eingeschränkt, was die Möglichkeiten anging. Doch nicht nur die Schauplätze haben sich erweitert, wir bekommen im Jahr 2049 auch einen guten Blick auf die sterbende Erde. In Philip K. Dick's Roman und im Original lernten wir bereits, das die Leute, die es sich leisten konnten, den Planet unlängst verlassen haben. Die überbevölkerte Mittelklasse und die darunter sterben gemeinsam mit der Erde. Gebildet haben sich Ghettos und zahlreiche Gangs. Zeigte das Original noch viel Multikulti von Kaukasiern über etliche asiatische Kulturen bis hin zur Hare-Krishna, scheinen diese Grenzen im Jahr 2049 verschwommen zu sein und bis auf die abgeschotteten Replikanten scheint die Gesellschaft zu einem Einheitsbrei geworden zu sein.

Für die Geschichte und Drehbuch war überraschenderweise wieder Hampton Fancher mit an Board. Beim Erstling trug Fancher noch eine tragische Rolle, denn von seinem ursprünglichem Drehbuch blieb im finalen Film nicht viel übrig (ironisch genug, als einer der Produzenten hatte er aber noch einiges an Mitspracherecht). So dürfte Fans des Originals, die sich mit der Entstehungsgeschichte von Blade Runner befasst haben, besonders die Eröffnungssequenz von Blade Runner 2049 ins Staunen versetzt haben. Handelt es sich hierbei beinahe 1:1 um die ursprüngliche Eröffnungssequenz von Blade Runner, die nie realisiert wurde. Die eigentliche Kontroverse besteht jedoch darin, die Geschichte des Originals fortzusetzen anstatt auf eine vollständig neue Geschichte zu setzen. Eine Fortsetzung bedeutete natürlich auch, Rick Deckard, den ehemaligen Blade Runner, aus dem Ruhestand zurückzuholen. Bereits im Vorfeld war bekannt, dass Harrison Ford offen dafür war, die Rolle noch einmal zu spielen. Von einer Beteiligung von Sean Young als Rachael, die in den letzten Jahrzehnten in Hollywood stark bei den verschiedensten Filmemachern in Ungnade gefallen ist, war jedoch nie die Rede. Die Geschichte des Originals fortzusetzen gelingt Blade Runner 2049 mal mehr, mal weniger gut. Positiv anzumerken ist jedoch, dass es wenig bis gar keine chronologischen Widersprüche gibt, die Zuschauer aber weiterhin mit vielen offenen Fragen am Ende zurückgelassen werden. Ein zusätzlicher Cliffhanger am Ende deutet auf eine weitere Fortführung der Handlung hin, die im Augenblick aber als relativ unwahrscheinlich anmaßt.

In Blade Runner 2049 übernimmt Ryan Gosling die Rolle eines Blade Runners, ein Blade Runner, der Jagd auf Seinesgleichen macht (nämlich Replikanten). Hier handelt es sich nicht um einen Spoiler sondern um eine Info, die der Zuschauer bereits in der Eröffnungssequenz erhält. Der namenlose Blade Runner ist dabei keineswegs vergleichbar mit Rick Deckard. Auch ist Ryan Goslings Charakter nicht darauf ausgelegt, die Performance von Harrison Ford aus dem Original zu kopieren. Die Geschichte von Blade Runner 2049 spielt nach dem großen Blackout aus dem Jahr 2022. Dieses Ereignis besiegelte nicht nur das Ende der Tyrell Corporation sondern sorgte auch dafür, dass die Daten sämtlicher Replikanten verloren gingen. Das LAPD verstärkte sich darauf, die verbliebenen Replikanten ohne eingeschränkte Lebenserwartungen dennoch aufzuspüren und sie in den "Ruhestand" zu schicken. Zur gleichen Zeit gerät ein blinder Industrie-Mogul namens Niander Wallace an die Macht, der mit der Produktion seiner eigenen Replikanten die Welt verändern will. Ryan Goslings Charakter K. bemerkt schon bald, dass er vielleicht eine ganz besondere Persönlichkeit ist.

Zu meiner großen Überraschung hat man es hinbekommen, die Rolle eines alternden Rick Deckards ziemlich gut in den Film zu integrieren. Ganz ohne den Einsatz von Nostalgie war dieses Vorhaben wohl nicht möglich und es gehört zu den wenigen Momenten im Film, wo Denis Villeneuve direkt auf das Original eingeht. Der Cameo des sich im Ruhestand befindenden Blade Runners Gaff, erneut gespielt von dem großartigen Edaward James Olmos, wird aber wohl als großes Rätsel in Erinnerung bleiben, den hier gibt es erstmals Ungereimtheiten im Bezug auf das Original.

Der unverwechselbare Soundtrack von Vangelis wird hier ebenfalls nicht kopiert, nicht einmal den Versuch wagten die Komponisten hier auch nur ansatzweise, diese Musik zu kopieren. Stattdessen ist der Soundtrack zu Blade Runner 2049 zwar stets präsent, aber weitestgehend unauffällig mit Ausnahme von 2-3 sehr bombastischen Stücken für einige furiosere Szenen. Aufgrund kreativer Uneinigkeit gingen Villeneuve und sein langjähriger Komponist Jóhann Jóhannsson getrennte Wege. Anschließend sprangen für die Fertigstellung des Soundtracks Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch ein. Der Soundtrack macht eindeutig einen guten Job auch wenn die Arbeit von Vangelis hier mehr als schmerzlich vermisst wird.  MelancholischeTracks wie "Memories of Green" oder "Blade Runner", der Track, der den Abspann im Original einleitet, sind auf dem Blade Runner 2049 Soundtrack nicht zu finden.



Resümee

Trotz einer pikanten Überlänge und einer Geschichte, die der langen Laufzeit nicht ganz gerecht wird, so ist Blade Runner 2049 dennoch einer der brillantesten Science Fiction Filme der letzten Jahre geworden. Visuell, handwerklich und schauspielerisch (wenn auch ein Rutger Hauer ebenso schmerzlich vermisst wird wie Komponist Vangelis) beeindruckend, kommt die Vision von Regisseur Denis Villeneuve stets zur Geltung. Neben Nolans Interstellar und Villeneuves eigenem Werk Arrival gehört Blade Runner 2049 bereits jetzt zur Riege der modernen Science Fiction Klassiker. In den nächsten Jahren hat der Film die Chance, weiter diesen Ruf zu festigen um vielleicht einmal so ein Klassiker zu werden wie das Original. Als direkte Fortsetzung eine Glanzleistung, sicherlich kein Film für ein breites Publikum und ganz bestimmt auch kein entspanntes Werk für Zwischendurch. Auf Blade Runner 2049 muss man sich einlassen können. Blu-ray in den Player, abschalten und sich tragen lassen. Dann kann die Reise in diese befremdliche Science Fiction Dystopie auch schon beginnen. Eine Überraschung, die im Vorfeld so nicht abzusehen war.



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