Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 30. Juli 2017

Tag 7 Review: T2 Trainspotting




Großbritannien 2017

T2 Trainspotting
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: John Hodge
Vorlage: Irvine Welsh
Darsteller: Ewan McGregor, Ewen Bremner, Jonny Lee Miller, Robert Carlyle, Anjela Nedyalkova
Laufzeit: 117 Minuten
Genre: Komödie, Drama
Verleih: TriStar/Sony
Premiere: 22.01.2017
FSK: Ab 16





Sag Ja zum Leben! Sag Ja zu T2 Trainspotting?



Sequels haben an Bedeutung verloren, Remakes sind Out und der Reboot-Hype ist abgeebbt zu einem kleinen Tümpel. Wenn das moderne Kino alles durch hat, was gibt es da denn noch? Revivals! Im digitalen Zeitalter, wo besonders durch Streaming-Plattformen der Zugriff auf Filmklassiker immer möglich ist, bleibt auch die Zielgruppe eines richtig guten Films immer frisch. Anders als bei einem Remake oder Reboot kommt bei einem Revival, sofern es möglich ist, die gleiche Crew zusammen, die das Original so erfolgreich gemacht hat. Neben dem derzeit erfolgreichen Twin Peaks Revival folgt in einigen Monaten auch die erste offizielle Fortsetzung zu Blade Runner (Regie: Denis Villeneuve). Und so scheint es gar nicht so unmöglich, dass Quentin Tarantino seine Ankündigung einmal in die Tat umsetzen könnte, wo Vernita Greens mittlerweile erwachsene Tochter auf Rachefeldzug geht um sich Beatrix Kiddo in Kill Bill Vol. 3 vorzuknöpfen.

Während Twin Peaks Fans rund 25 Jahre warten musste, mussten Trainspotting Fans lediglich 20 Jahre warten. 1996 ließ Danny Boyle seine Skagboys (mit einem Ensemble aus damals relativ unbekannten britischen Schauspielern) auf die Masse los. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Irivine Welsh war die Filmversion von Trainspotting ein Abgesang auf das schrille Großbritannien der 90er. Ein Land im Wandel, des Widerspruchs und einer gewissen Unsicherheit, So agierten in der gesellschaftskritischen schwarzen Komödie auch die Akteure, die entweder abhängig von Heroin oder anderen Drogen, oder aber psychisch labile Schläger waren. Die ausgestoßenen der Gesellschaft, zumindest nahmen es alle mit Humor.

Obwohl sich Trainspotting Buch und Trainspotting Film teilweise erheblich voneinander abgekapselt haben (das Buch spielt in den 80ern), machte der weltweite Erfolg des Filmes Autor Irvine Welsh, Regisseur Danny Boyle und Hauptdarsteller Ewan McGregor zu internationalen Stars. Buch und Film avancierten zum Kult. Irivine Welsh ließ in seinen nachfolgenden Büchern die Trainspotting Truppe immer wieder auftreten, als Nebendarsteller in anderen Werken oder aber in offiziellen Fortsetzungen und Prequels. Eine dieser Fortsetzungen, auf die T2 Trainspotting lose basiert, ist "Porno". Danny Boyle schloss eine filmische Fortsetzung nie aus, betonte aber immer, er wolle warten, bis die Schauspieler sichtbar älter geworden sind. Während Boyle die Romanvorlage Trainspotting als Meisterwerk bezeichnet, so war er weniger begeistert von Porno. Für die filmische Fortsetzung entschieden sich Boyle und sein langjähriger Weggefährte John Hodge dazu, die literarische Vorlage nur bedingt zu verwenden und stattdessen auf ein Original-Screenplay zu setzen. Irvine Welsh hat sich dagegen anscheinend nicht gesträubt, ist er wieder als Produzent mit an Board und hat im Film auch noch einen Cameo-Auftritt.

2017 war es also so weit. 20 Jahre später erfahren wir, wie es Renton, Spud, Simon und Begbie ergangen ist. Bereits die Eröffnungssequenz mit einem in Amsterdam lebenden Renton, der in einem Fitnessstudio auf einem Laufband einen Herzanfall erleidet (ACS) verrät uns, 20 Jahre gehen an keinem von uns spurlos vorbei. Spud, mittlerweile Vater, hat wieder zum Heroin gefunden und Simon, mal wieder Vater und in Sachen Drogen zum Kokain gewechselt hat, verdient sein Geld mit dubiosen Geschäften im Erotik-Milieu. Letztendlich wäre da noch Begbie, der auch nach 20 Jahren noch nicht auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wird und noch weitere 5 Jahre absitzen soll. Und dennoch, wie es das Schicksal so will, werden sich die 4 Freunde wiedertreffen, in ihrer alten Heimat in Edinburgh, Schottland.

Danny Boyle ist kein Mann der Fortsetzungen. Bei 28 Weeks Later fungierte er nur noch als Produzent, 28 Months Later ist mittlerweile nicht einmal mehr im Gespräch. Wenn ein so abgeklärter Filmemacher wirklich eine Fortsetzung plant, dann muss es etwas ganz besonderes werden. Es muss sich neu anfühlen, und dennoch darf der Charakter des Originals nicht verloren gehen. Danny Boyle schafft diesen schwierigen Spagat in T2 Trainspotting mit Bravour. Etwas, was besonders dem Twin Peaks Revival abhanden gekommen ist, ist etwas einzigartiges, was das Original zu etwas besonderem machte. Die Wärme, die sich anfühlt, nach vielen Jahre in die Heimat zurückgekehrt zu sein, ist etwas, was Twin Peaks fehlt aber T2 Trainspotting im vollen Umfang besitzt. T2 fühlt sich nach einem völlig neuem Erlebnis an, was aber ebenfalls auf viel Nostalgie setzt, ohne jedoch darin zu ertrinken. "Die alten Zeiten" sind aber natürlich ein zentrales Thema in T2. Die erste Besonderheit ist jedoch, T2 wird nicht mehr von einem Erzähler (im Vorgänger war es Renton) begleitet. Keine Erklärungen mehr durchs Off. Auch mit provokanten Inhalten, furiosen Heroin-Trips oder Sex wird sich stark zurückgehalten. Der Fokus liegt dafür auf gut platziertem britischen Humor, die Charaktere und eine starke Narrative. Was aber nicht bedeutet, dass T2 Trainspotting zu einem Familienfilm avanciert ist, ganz im Gegenteil. Man kann aber sagen, der Film ist genau wie seine Protagonisten gereift und erwachsen geworden. Aber das nötige Maß an Verspieltheit haftet auch noch der Fortsetzung an, was etliche sehr schräge Szenen zufolge hat, die man einfach als Fan der Reihe genießen sollte.

Ab und an gibt es immer wieder Einblendungen ikonischer Szenen des Vorgängers. Diese verschmelzen beinahe nahtlos mit T2 Trainspotting. Aus cineastischer Sicht ist T2 eine absolute Augenweide. Brillante Bilder wechseln sich ab mit einem ebenso erstklassigem Schnitt. Eine erneut perfekte Musikauswahl machen den Film zu einem Fest für die Sinne. Abgerundet wird dieses Fest durch eine nicht minder beeindruckende Leistung des gesamten Casts, auch wenn die Rolle und die Relevanz der Veronika wohl als eine der kontroverseren Entscheidungen zu betrachten ist. Diane, im Vorgänger noch Rentons minderjährige Affäre, die in der Fortsetzung zu einer gestanden Frau und Rechtsanwältin herangewachsen ist, kommt dafür etwas zu kurz (kam sie bereits im Original). In den Deleted Scenes gibt es noch zwei sehr gelungene Szenen mit ihr und Renton, die das Verhältnis beider Charaktere zueinander mehr verdeutlichen und leider der Schere zum Opfer gefallen sind.

Mit einer Nettolaufzeit von 110 Minuten fühlte sich T2 Trainspotting ziemlich komplett und rund an. Nur wenige der 30 Minuten an Deleted Scenes hätten einen wirklichen Nutzen im Film gefunden. Boyle und Hodge haben hier eine sehr komplette Kinofassung abgeliefert, die auch gleichzeitig der Directors Cut sein dürfte. Für Fan-Editoren werden die Deleted Scenes, die hier in High Definition Qualität vorliegen, aber bestimmt nicht ganz uninteressant sein.



Fazit

T2 Trainspotting ist ein Film über das nicht loslassen können der alten Zeiten. Ein Film, der gerne in alten Zeiten schwelgt weil Danny Boyle weiß, wir schwelgen alle gerne darin. Trotz all der Nostalgie ertrinkt die Fortsetzung jedoch nicht darin, ist bereit, neue Stile einzuführen und einen anderen Tonfall anzuschlagen. Stürzte sich der Vorgänger noch gnadenlos auf die schrillen 90er, knöpft sich T2 die Ära nach 2010 vor. Die Smartphone-Ära, die Porno-Ära, die Social Media-Ära. T2 nimmt sich gewissenhaft den aktuellen Zeitgeist vor inklusive aller peinlichen Ausrutscher unseres alltäglichen Lebens ("Sag Ja zum Leben, zu Facebook, Twitter, Instagram und hoffe drauf, dass es irgendwo irgendwen kümmert"). Und genau in diesen wichtigen Aspekten besteht T2 Trainspotting als Fortsetzung, als Revival und als ein verdammt großartiger Film auf ganzer Linie. Um es mit den Worten von Mark Renton auszudrücken:

Sag Ja zu den Skagboys, zu Danny Boyle, John Hodge und Irvine Welsh. Sag Ja zum Soundtrack, zur Cinematographie und den Dialogen und sag Ja zu den guten alten Zeiten. Sag Ja zu T2 Trainspotting!

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